
Das neue Restrukturierungsrecht und aktuelle Regelungen zur Insolvenzantragspflicht
Das neue Restrukturierungsrecht und
aktuelle Regelungen zur Insolvenzantragspflicht
Auswirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen
Das neue Restrukturierungs-/ Insolvenzrecht (sogen. SanInsFoG) ist zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Die Auswirkungen der Änderungen und der neuen Werkzeuge gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, versuchen wir nachstehend zu bewerten.
Insolvenzantragspflicht
Die aktuelle Situation zur Insolvenzantragspflicht, ist für viele Unternehmer schwierig zu bewerten. Durch die verschiedenen Maßnahmen der Bundesregierung wie auch Presseberichte ist Verwirrung entstanden.
Erschwert wird die Situation durch die sogenannten November‑, Dezemberhilfen und die Überbrückungshilfe III. Entgegen den vollmundigen Ankündigungen der Politik fließen diese nicht sofort, sondern äußerst schleppend oder gar nicht aufgrund Änderungen im Regelwerk. Diese Themen haben Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht.
Eine Vielzahl von Unternehmern meint das die Insolvenzantragspflicht auch noch im Januar 2021 ausgesetzt sei. Ob dies für Ihr Unternehmen zutrifft sollten Sie im eigenem Interesse sorgfältig abklären.
Der Gesetzgeber hat aufgrund der COVID 19 Pandemie im Laufe der letzten 10 Monate dreimal!!! und zwar substanziell die Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht geändert.
Schauen wir uns die einzelnen Änderungen im Zeitverlauf an:
1. März- 30. September 2020
Im März wurde die Insolvenzantragspflicht für nicht zahlungsfähige und/oder überschuldete Unternehmen pauschal bis 30.9.2020 unter folgenden Voraussetzungen ausgesetzt:
- Die insolvenzreife beruht nachweisbar auf der Pandemie
- Es besteht begründete Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit
Die Annahmen 1. wurde dadurch gestützt, dass der Gesetzgeber eine Vermutung der Pandemiebegründung einführte, indem für alle Unternehmen die am 31.12.19 zahlungsfähig waren, die Ursache in der Pandemie für eine Zahlungsunfähigkeit und / oder Überschuldung lag.
1. Oktober 2020 – 31. Dezember 2020
Ab 1.10.2020 wurden die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nur für überschuldete Unternehmen weiter bis 31.12.2020 ausgesetzt.
Bei Zahlungsunfähigkeit war Insolvenz anzumelden.
Was bedeutet „Zahlungsunfähigkeit“?
Sie sind nicht in der Lage Ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen.
Beträgt die Liquiditätslücke zum Ende eines drei Wochenzeitraums mehr als 10% liegt ebenfalls Zahlungsunfähigkeit vor ansonsten eine sogenannte Zahlungsstockung. Ausnahme, es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Liquiditätslücke demnächst fast oder vollständig geschlossen werden kann und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumutbar ist.
Dieser an das Ende des 3 Wochenzeitraums anschließende weitere Zeitraum kann in Ausnahmenfällen 3 bis u.U auch längstens 6 Monate betragen.
1. Januar 2021 – 31.Januar 2021
Mit dem 31.12.2020 sind die vorstehenden Regelungen ausgelaufen.
Es besteht auf Grundlage des SanInsFoG noch folgende Ausnahmeregelung:
Vom 01.01.2021 bis 31.01.2021 wurde die Insolvenzantragspflicht für diejenigen Unternehmen ausgesetzt, die im Zeitraum 1.11 – 31.12.2020 einen Antrag auf Gewährung staatlicher Hilfen zur Abmilderung der Folgen der Covid 19 Pandemie gestellt haben. Falls die Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht im Zeitraum möglich war, gilt dies auch für Unternehmen, die für diesen Zeitraum antragsberechtigt sind.
Ab 1. Februar 2021 bis voraussichtlich 30. April 2021?
Am 20.1.2021 hat das Bundesministerium der Justiz bekanntgegeben, das die Insolvenzantragspflicht bis 30.April 2021 auszusetzen. Diese Verlängerung soll den Schuldner zugutekommen:
- die Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den aufgelegten Corona — Hilfsprogrammen haben und deren Auszahlung noch aussteht.
- Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Hilfen bis 28. Februar 2021 beantragt wird und die erlangbare Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet ist.
- Die Verlängerung soll den Schuldnern zugutekommen, die einen Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den aufgelegten Corona-Hilfsprogrammen haben und deren Auszahlung noch aussteht. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Hilfe bis zum 28. Februar 2021 beantragt wird und die erlangbare Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet ist.
- Auf die tatsächliche Antragstellung kommt es jedoch ausnahmsweise nicht an, wenn eine Beantragung der Hilfen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bis zum 28. Februar 2021 nicht möglich ist. In diesen Fällen soll auf die Antragsberechtigung abgestellt werden.
- Wie schon bisher gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nur, wenn die Krise des Unternehmens pandemiebedingt ist, mit einer Auszahlung der Hilfen zu rechnen ist und hierdurch eine Überlebenschance für das Unternehmen besteht.
Aber: Ist es offensichtlich, dass keine Aussicht auf staatliche Unterstützungsleistung besteht, um die Insolvenzreife abzuwenden, gilt die genannte Ausnahme von Insolvenzantragspflicht nicht. Stellt ein Unternehmen keinen Insolvenzantrag, obwohl die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vorliegen, handelt die Geschäftsleitung pflichtwidrig. Dies kann sowohl eine Haftung als auch eine Strafbarkeit der Geschäftsleitung begründen. Daran soll auch weiterhin festgehalten werden.
Fehleinschätzungen zu diesen z.T. recht komplexen Sachverhalten können bei Geschäftsleitern schnell zu empfindlichen Vermögenseinbußen führen und dies nicht nur bei Gesellschaftern, sondern auch bei angestellten Geschäftsleitern.
Das neue Restrukturierungsrecht
Mit dem SanInsFoG treten zwei neue Werkzeuge (Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmen sowie Sanierungsmoderation) in Kraft. Ebenfalls treten Änderungen zur bestehenden Insolvenzordnung in Kraft. Dies betrifft insbesondere die Zugangsvoraussetzungen zur Eigenverwaltung in der Insolvenz. Damit wurden auch die Voraussetzungen für das Schutzschirmverfahren geändert.
Diese Änderungen dürften zur Folge haben, dass der benötigte zeitliche Vorlauf größer und damit kostenintensiver wird. Andererseits steigen bei besserer Vorbereitung des Vorhabens die Sanierungschancen.
Es wird damit deutlich, dass der Gesetzgeber auf das Thema Krisenfrüherkennung wesentlich stärker abstellt als zu vor. Der Referentenentwurf wurde in Bezug auf die Haftung der Unternehmensleitung entschärft. Die Verpflichtung der Unternehmensleitung sich fortlaufend über Entwicklungen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden können, zu unterrichten, wurde zusätzlich zu den bestehenden Pflichten normiert.
Dies bedeutet die Pflicht geeignete Krisenfrüherkennungssysteme im Unternehmen einzuführen. Die Ausformung und der Umfang sind von der Größe, Branche und Struktur als auch von der Rechtsform des Unternehmens abhängig.
Die nachstehende Tabelle soll erste grobe Anhaltspunkte zu den einzelnen Sanierungswerkzeugen liefern. Aufgrund der Komplexität kann die Tabelle nur einen ersten Anhaltspunkt zu den einzelnen Werkzeugen liefern. Für den konkreten Fall ist eine fallspezifische Beratung angeraten.
Voraussetzungen | Öffentlich | Verbindlichkeiten /Verträge | Arbeitsver- hältnisse | Gläubiger- schutz | Insolvenz- geld | Anfechtung; gerichtl. Bestätigung | Kontrolle | Kosten | |
Sanierungs- moderation | Nicht zahlungsunfähig, nicht überschuldet | nein | Nein, eingeschränkt | Nein, eingeschränkt | nein | nein | Gerichtliche Bestätigung Vergleich, Anfechtungsschutz | GF bleibt im Amt Sanierungsmoderator- | kostengünstig |
Restrukturierungsrahmen | Nicht zahlungsunfähig, nicht überschuldet, Restrukturierungsplan | Nein, nur wenn gewünscht (Thema Ausland) veröffentlichung | Nein, eingeschränkt | Nein, explizit ausgenommen, eingeschränkt | ja | nein | Gerichtliche Bestätigung Vergleich, Anfechtungsschutz | GF bleibt im Amt Gericht bestellt Restrukturierungsbeauftragten in best. Fällen | Aufwendige Vorbereitung, recht komplex und damit aufwendig |
Schutzschirmverfahren | Drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung mit Dritt-Bescheinigung keine Zahlungsunfähigkeit und Sanierung nicht Aussichtslos | Ab Ende 3 Monat | ja | ja | ja | ja | Gerichtlich bestätigter Plan | Eigenverwaltung mit Sachwalter | Aufwendige Vorbereitung, Beratungs- und Sachwalterkosten |
Planverfahren in Eigenverwaltung | Umfangreicher Antrag mit Finanzplan über 6 Monate | ja | ja | ja | ja | ja | Gerichtlich bestätigter Plan | Eigenverwaltung mit Sachwalter | Aufwendige Vorbereitung, Beratungs- und Sachwalterkosten |
Regelinsolvenz | Einfacher Antrag | ja | ja | ja | ja | ja | Insolvenzverwalter | Insolvenzverwalterkosten |
Sanierungsmoderation
Für die Kleinunternehmen, also bis ca. 10 Mio. Umsatz, dürfte das Werkzeug der Wahl die Sanierungsmoderation sein. Hierfür sprechen aus meiner Sicht folgende Argumente:
- Unkompliziert in der Antragstellung
- Nicht öffentliches Verfahren
- Ein erfahrener Sanierungsberater/Moderator kann für viele Unternehmen Ergebnisse erzielen, die nahe an die Ergebnisse des Restrukturierungs- oder Planverfahrens herankommen, immer vorausgesetzt der Unternehmer beschäftigt sich rechtzeitig mit der Krise
- Die Möglichkeit der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs zu sehr geringen Kosten. Anfechtungsrisiken und Vollstreckungen werden darüber bei richtiger Abwicklung ausgeschlossen.
- Die Sanierungsmoderation liegt von den Kosten her unterhalb der Kosten des Restrukturierungsrahmens, der Sachwaltung oder des Insolvenzverwalters und ist damit gerade für kleinere Unternehmen eine in vielen Fällen sinnvolle Lösung.
Restrukturierungsrahmen
Für Mittelständische Unternehmen, also bis 50 Millionen Umsatz, 250 MA und größere Unternehmen kann der Restrukturierungsrahmen eine Möglichkeit sein.
- Nicht öffentliches Verfahren
- Bietet gute Instrumente zum Management der Gläubiger und damit der Planrealisierung
- Die Stabilisierungsanordnung des Gerichts bietet Schutz vor Durchgriffen von Gläubigern
- Möglichkeit der gerichtlichen Planvorabstimmung
- Gestaltbarkeit aller Forderungen inkl. Drittsicherheiten und Absonderungsrechten, jedoch expliziter Ausschluss von Forderungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen.
- Wesentliche höhere Anforderungen an die Antragstellung und die einzureichenden Unterlagen. Im Endeffekt ähneln die Anforderungen denen des Schutzschirmverfahrens.
- Restrukturierungsbeauftragter zwar fakultativ, real wird er gebraucht, da ohne ihn ein gerichtliches Verfahren kaum durchzuführen ist.
- Kosten liegen wahrscheinlich leicht unter denjenigen eines Schutzschirmverfahrens.
Es ist abzuwägen, ob die Nichtöffentlichkeit ggü. den Sanierungsmitteln des Schutzschirmverfahrens und den evtl. etwas niedrigeren Kosten wirklich so schwer wiegen. Das Thema Öffentlichkeit des Verfahrens wird m.E. von vielen Unternehmen überschätzt, da es bei richtiger Vorbereitung und Kommunikation zu keinen Verwerfungen kommen muss.
Schutzschirmverfahren
Das Schutzschirmverfahren kann von jedem Unternehmen durchgeführt werden. Jedoch ist gerade bei kleineren Unternehmen oft der Punkt der Vorlaufkosten ein Hindernis. Die Aufstellung eines Sanierungsplans, zumeist in Form eines IDW S 6 Gutachtens, der Bescheinigung durch einen unabhängigen Dritten können selbst bei kleinen Unternehmen schnell in den Bereich von 30–50 T€ kommen. Allerdings kann dieser Betrag aktuell durch staatliche Zuschüsse gemindert werden.
Die Sachwalter Kosten berechnen sich als gestaffelter Prozentsatz auf den Wert der Insolvenzmasse und betragen im Regelfall 60% der Insolvenzverwaltervergütung.
Ein professioneller Sanierungsberater wird mit dem Mandanten immer alle Möglichkeiten durchgehen.
Wesentliche Vorteile des Verfahrens:
- In den ersten 3 Monaten nicht öffentlich. Nicht jedoch ggü. den Gläubigern, das gilt jedoch für alle Verfahren.
- Auswahl Sachwalter
- Eigenverwaltung
- Insolvenzgeld – Finanzierung Gehälter für 3 Monate durch BA
- Alle Insolvenzforderungen und Verträge sind gestaltbar
- Gute Instrumente zum Management der Gläubiger und damit der Planrealisierung
- Gläubigerschutz ab Antrag
Planverfahren in Eigenverwaltung
Die Bundesregierung hat in der Neufassung der Insolvenzordnung die Eintrittsvoraussetzung für die Eigenverwaltung angehoben, d.h. dem Antrag ist beizufügen
- Eine Finanzplanung für 6 Monate
- Konzept zur Durchführung des Insolvenzverfahrens einschließlich im Endeffekt IDWS 6 Gutachten resp. dessen Inhalte
- Verhandlungsstand mit den Gläubigern
- Begründete Darstellung der Mehr-/ Minderkosten, die im Vergleich zur Regelinsolvenz im Verhältnis zur Masse anfallen.
- Darstellung der Vorkehrung die getroffen wurden, die insolvenzrechtlichen Pflichten zu Erfüllen.
- Erklärungen zu:
- Zahlungsrückständen jeglicher Art,
- Anträgen auf Vollstreckungs-oder Verwertungsschutz in den letzten 3 Jahren
- Dem Erfüllen der Offenlegungspflichten nach dem Handelsgesetzbuch (im Prinzip:Veröffentlichung Rechnungslegung im Bundesanzeiger)
Die vorgenannte Aufzählung macht deutlich, dass es für ein unvorbereitetes Unternehmen praktisch nicht möglich sein wird ein Planinsolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu beantragen. Wir halten diese Verschärfung für problematisch, da es voraussichtlich zu mehr Abwicklungen statt Fortführungen führen wird.
Fazit
Ich denke, die folgenden Punkte kann man nicht oft genug wiederholen:
- Führen Sie Frühwarnsysteme ein – wir beraten gern hierzu
- Lieber einmal zu früh nachgedacht als einmal zu spät in die Insolvenz gegangen.
- Je rechtzeitiger Sie handeln, desto größer werden Ihre Chancen!
- und eine Insolvenz ist kein Beinbruch
Wir stehen Ihnen wie immer für eine kostenloses Erstgespräch zu allen Themen gern telefonisch oder per Videokonferenz zur Verfügung.
Dieser Beitrag wurde mit Sorgfalt erstellt. Jede Haftung (insbesondere für die Richtigkeit der Angaben) ist jedoch ausgeschlossen. (Stand 19.01.2020)
Traumann Consulting – Unternehmenszukunft erfolgreich gestalten -

Jörg Traumann, MBA, Hochschulzertifikat Sanierungs- und Insolvenzrecht
Verfügt über 30 Jahre Erfahrung in der Führung, Sanierung und Restrukturierung von Konzern – und Mittelstandsunternehmen im In- und Ausland.
Wir sind spezialisiert auf M&A und Sondersituationen, wie Sanierungsberatung, Verfahrensbegleitung und Restrukturierungsmanagement und bewerten Unternehmen in unterschiedlichsten Situationen.
Für weitere Informationen rufen Sie an 06198–3485-64 oder schreiben Sie eine Mail an info@Traumannconsulting.com
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